Filmtip: „Die Sendung der Lysistrata“

Ein deutsches Wohnzimmer 1961: Drei Ehepaare versammeln sich, um gemeinsam ein Fernsehspiel zu schauen. Es ist die antike Komödie „Lysistrata“ (die „Heeresauflöserin“) von Aristophanes aus dem Jahr 411 v.u.Z.: mitten im 30-jähringen Peloponnesischen Krieg verbünden sich die Frauen in Athen, besetzen die Akropolis mitsamt der Staatskasse und machen so lange Sexstreik, bis die Herren Frieden schließen. Die Feindinnen in Sparta tun es ihnen gleich, und erhöhen den Druck auch dort bis zum Bersten für Friedensverhandlungen. Daraus entstehen ernsthafte Verwicklungen und lustige Rückfälle, großartige Dialoge und Erkenntnisse. Der Clou dabei: Die Frauen treten im Bewußtsein „Wir haben den Frieden in der Hand!“ aus ihrer Rolle und der Privatheit heraus und greifen dafür mutig in den öffentlichen Diskurs ein. So wurde ein Aufstand des Volkes humorvoll ins Szene gesetzt und der interessengeleiteten Behauptung, Krieg sei natürlich und ewig, eine Kultur des Friedens entgegengesetzt. Das Theater griff damit als lebendiger Bestandteil der Demokratie mit Spott und Weitsicht in die Staatsgeschäfte ein. Denn schon vor 2500 Jahren war klar: Kriege werden des Geldes wegen gemacht, führen nicht zur Sicherheit der Bevölkerungen und müssen daher von ihnen beendet werden.

Die Schauspielerin Agnes Salbach, die Lysistrata spielt (souveräne Doppelrolle: Barbara Rütting) lädt Freunde ein, um das Stück zu sehen. Ihr Mann hat als Chemiker einen neuen Treibstoff erfunden und ein lukratives Jobangebot in den USA erhalten. Seine Frau fürchtet, dass seine Arbeit dem Militär zugute kommen könnte und überhaupt einen Atomkrieg.
Das nächste Ehepaar sind der Vorgesetzte ihres Mannes, ein reicher Fabrikant und politischer Ewiggestriger und seine Frau. Er findet den Pazifismus „undeutsch“ und „antiamerikanisch“.
Auch eingeladen sind Uschi und Herr Hellwig. Sie, eine zunächst unpolitische Frau, wirkt ebenfalls im Fernsehfilm mit als Lysistratas lüsterne Kumpanin Myrrhine (kokett: Romy Schneider).
Es spielen noch mit ein weiterer Schauspielerkollege und ein liberaler Journalist, der Krieg ablehnt.
Das geschickt inszenierte Kammerspiel ist voller Konflikte und Verwerfungen, es fließen Tränen und knallen Türen – und am Ende siegen Argument und Vernunft.

Die Sendung, von Fritz Kortner für den NRD gemacht, löste damals ein riesen Skandal aus. Nicht nur wegen der unerhörten Handlung des Originalstückes, sondern weil die Kriegsbefürworter und Spießbürger lächerlich gemacht werden. Die Debatte fand statt vor dem Hintergrund der Pläne der Regierung Adenauer, die Bundeswehr atomar zu bewaffnen und die Debatte war entsprechend aufgeheizt. Vom Bayerischen Rundfunk wurde Fernsehfilm boykottiert mit der Begründung, die Komödie verletze das sittliche Empfinden der Bevölkerung: „Die Verfechter einer Atomrüstung werden auf eine Weise karikiert, die einfach unfair ist.“ Der Intendant des Süddeutschen Rundfunks hielt die Aufzeichnung für „ästhetisch unter der Grenze, sittlich anstößig und politisch einseitig.“

Es gibt also viele gute Gründe, den Film heute neu zu sehen. Auch die klassische Schwarz-weiß-Ästhetik gehört dazu.