Volksinitiative gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern aus dem Hamburger Hafen
0. Anspruch und Wirklichkeit
Der postulierte Anspruch, ein Gesetz für eine „verbindliche, restriktive und transparente Rüstungsexportpolitik“ zu schaffen, ist zunächst einmal zu begrüßen. Gerade in einer Zeit, in der der Profit der Rüstungsindustrie größer ist als das Einkommen der Hälfte der Weltbevölkerung; Menschenleben, natürliche Lebensgrundlagen und das Klima zerstört sowie Menschenrechte mit Füßen getreten werden; Deutschland die viertgrößte Rüstungsexportmacht ist und Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete munter florieren und auch den Krieg in der Ukraine weiter anheizen, ist dies bitter notwendig und als ein (Zwischen-)Erfolg für die Friedensbewegung zu bewerten.
Doch ist wirklich drin, was draufsteht und können so die Rüstungsexporte real eingeschränkt werden?
1. Grundsätzlich
Die einzigen, die vom Geschäft mit Rüstungsgütern profitieren, sind die Profiteure: die Rüstungskonzerne selbst, die großen Unternehmen, für deren Handelswege Kriege geführt werden, korrupte Politiker:innen sowie die Banken und Versicherungen. Die Bevölkerungen, die Volkswirtschaften und die internationale Kooperation leiden darunter.
Die Menschheit steht heute am Scheideweg. Setzt sich die Kapitalbegünstigung und damit die Doktrin von Konkurrenz und Gewalt sowie der Ausbeutung von Mensch und Natur durch, wird sie untergehen. Dagegen steht die historische Notwendigkeit und Chance, alle Waffen niederzulegen, abzurüsten und mittels internationaler Zusammenarbeit die UN-Nachhaltigkeitsziele konsequent zu realisieren. Die Welt ist heute reich genug, um Prosperität, ein Leben ohne Hunger und Drangsal, dafür mit Bildung und Kultur für alle zu verwirklichen.
Waffengeschäfte dagegen schaffen niemals Frieden, sie verlängern den Krieg und erschweren Diplomatie und Verhandlungen, die zur Beendigung der Kriege nötig sind.
– Wir setzen uns daher für ein sofortiges vollständiges Verbot von Rüstungsexporten als einen Beitrag zur Abrüstung ein und perspektivisch für die Konversion der Rüstungsindustrie in humane, sozial sinnvolle und ökologisch nachhaltige Produktion.
2. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Im Artikel 1 des Grundgesetzes ist die elementarste und grundlegendste Aussage für das Zusammenleben der Gesellschaft festgelegt. Ein Gesetz und eine Haltung, die als unmittelbare Lehre aus Faschismus und Weltkrieg zum zentralen Leitsatz formuliert wurde. Dieser Satz muss auch heute Maßstab allen Denkens und Handelns sein.
Auch auf internationaler Ebene ist dies völkerrechtlich so gefasst.
UN-Charta, Artikel 1: „Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:
1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.“
Auch in der Bevölkerung Deutschlands ist das „Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus“ tief verankert, was wiederum in Art 26 des GG verbrieft ist:
„(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
– Wir treten jedem Versuch entgegen, den Grundsatz des Kriegswaffenkontrollgesetzes, dass Genehmigungen nur in Ausnahmefällen zu erteilen sind, aufzuweichen oder gar umzukehren. Das Kriegswaffenkontrollregime ist ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt und soll Kriege verhindern, nicht ermöglichen.
3. Nicht in Kriegs- und Krisengebiete
Bislang gelten für Rüstungsexporte die eher restriktiven „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ von 2019, in denen es u.a. heißt:
„Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
– die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
– in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden.“
Das heißt, dass Waffenexporte z.B. nach Ägypten, Saudi-Arabien, in die Türkei und auch in die Ukraine, wo seit mindestens 2014 bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden, nicht genehmigungsfähig sind. Sie werden seit Jahren im Jemen-Krieg und auch aktuell gegen die überwiegend kurdische Bevölkerung in Syrien und Irak eingesetzt und in der Ukraine wurden damit offenkundig „bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft.“
Sofern sich dabei auf den Grundsatz der Selbstverteidigung berufen wird – „Lieferungen an Länder, die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht, scheiden deshalb grundsätzlich aus, sofern nicht ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt.“ – gilt, dass Waffenexporte schon vor dem völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine stattfanden (s. oben) und auch ein Angriff eines Landes auf ein anderes nicht dritte Länder alternativlos dazu verpflichten, dem Angegriffenen Waffen zu liefern. Man kann auch auf Diplomatie und politische Konfliktlösung setzen.
– Der Vorrang und Einhaltung dieser „politischen Grundsätze“ sollten daher bleiben.
4. Konkrete Kritikpunkte
Wir unterstützen die kritische Stellungnahme von „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ vom 21.10.22. Insbesondere fordern wir:
– eine konsequente Einzelfallprüfung von Rüstungsexporten, statt der Erweiterung der Länder für privilegierte Genehmigungen. Eine „grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit“ für bestimmte Drittstaaten ist abzulehnen.
– hohe strafrechtliche Konsequenzen ohne Ausnahmen bei Rüstungslieferungen in Kriegs- und Krisengebiete.
– die Einrichtung des Verbandsklagerecht als entscheidende juristische Kontrollinstrument, mit dem die Regierung gezwungen werden kann, ihre Exportgenehmigungen streng am Gesetz auszurichten und nachvollziehbar zu begründen.
– die Erarbeitung restriktiver Kriterien für eine EU-Rüstungsexportverordnung statt mehr Zusammenarbeit für europäische Rüstungsvorhaben.
– ein absolutes Verbot nach UN-Definition für Kleinwaffen.
– konsequente Berücksichtigung der Menschenrechte in allen Ländern.
– Darüber hinaus treten wir dafür ein, die NATO aufzulösen, die eine durchgängige Geschichte völkerrechtswidriger Angriffskriege hat vom Korea-Krieg bis zu den heutigen Bombardement Syriens und der Irak von der Türkei. Stattdessen müssen die UNO und das OSZE als friedensschaffende Organisationen gestärkt werden und zivile Konfliktregulierung und gemeinsame Sicherheit wieder zur Geltung gebracht werden. Die Bundesregierung sollte sich tatsächlich tatkräftig „für eine Wiederbelebung der internationalen Abrüstung und Rüstungskontrolle“ (Koalitionsvertrag) einsetzen. Das ist eine gewichtige Lehre aus der deutschen Geschichte.
„Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“
Wolfgang Borchert, Dann gibt es nur eins, 1947
Hier findet ihr die Stellungnahme auch als pdf.