Rede von unserem italienischen Hafenaktivisten Alessandro aus Trieste

An die Kollegen von Ver.di und an die Aktivisten  für einen zivilen Hafen Hamburg

Hallo zusammen, ich freue mich, zum 1. September zu einem Referendum beizutragen, das Hamburg zum Friedenshafen erklärt. Auch wir versuchen, Ähnliches in Triest, Koper-Capodistria und anderen Mittelmeerhäfen zu erreichen. Dieser Beitrag schließt sich dem … Boykott saudischer Waffenschiffe an. Der begann in Genua dank der Vereinigung The Weapon Watch – ich gehöre ihr an -wie auch der Hafenarbeitergewerkschaft Calp.

Kurz: Triest hat mit Hamburg Manches gemeinsam:

  • Häfen, in denen die HHLA , die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft, zivile und militärische Waren für den Transport lagert und Schiffe be- und entlädt.
  • Italien und Deutschland haben beide US-Fliegerhorste, in denen nukleare Sprengköpfe lagern.

Und zwei Gemeinsamkeiten haben wir , auf der wir unser Engagement für den Frieden rechtlich gründen können:

  • Hamburg hat in der Präambel zu seiner Verfassung festgeschrieben, die Stadt will: „im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“Die Region Triest ist im Friedensvertrag von 1947 zur neutralen Zone erklärt worden.
  • Zudem gibt es in Italien ein Gesetz, das den Export von Waffen in kriegführende Staaten verbietet. Auch in Deutschland gibt es ein solches Waffenexportverbot.

Der Hafen von Triest wurde 1944 von britischem und US-amerikanischem Militär verteidigt und damit vor der Zerstörung durch Nazi-Faschisten bewahrt. Heute ist er ein Transithafen für Todesinstrumente. Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, die Waffengegner der internationalen Organisation „Disarmisti Esigenti“ und der ehemalige Bürgermeister von Koper-Capodistria, unser Partner in Slowenien haben den Vereinten Nationen am 20 Juni 2017 eine Eingabe eingereicht: Sie schlagen darin auf der Grundlage des Vertrages zum Atomwaffenverbot eine Fallstudie zur Denuklearisierung unserer Häfen vor.

Das Dokument übergaben sie der Präsidentin der UN-Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag, Elayne Gomez aus Costa Rica. Costa Rica ist das einzige Land ohne Militär. In dem Schreiben beziehen sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner auf den Friedensvertrag von 1947 zwischen Italien und den Siegermächten. Er wurde vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 16 umgesetzt und vom italienischen Parlament ratifiziert. Darin werden die Gebiete Triest und Koper-Capodistria als „entmilitarisiert und neutral“ definiert.

Gegenwärtig teilen sich Italien und Slowenien den Golf von Triest mit Kroatien; die drei Staaten sind Teil des NATO-Bündnisses (Italien seit 1952, Slowenien seit 2004 und Kroatien seit 2009). Sie haben sich gegen den neuen UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ausgesprochen. Dank der ICAN-Koalition zur Abschaffung von Atomwaffen wurde der Vertrag jedoch genehmigt, und ICAN wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Mit der 50. Ratifizierung trat der Atomwaffenverbotsvertrag am 22 Januar 2021 endlich in Kraft.

Trotz des Friedensvertrags von 1947, trotz des Verbots von Atomwaffen und trotz der Erklärung von Barcelona, die 1995 ein atomwaffenfreies Mittelmeer forderte, beherbergt der Golf von Triest zwei Orte, die Transithäfen für Atomwaffen sind: Triest und Koper-Capodistria.

Diese beiden urbanen Zentren können weder mögliche Unfälle noch die Lagerung oder den Transport konventioneller oder atomarer Vernichtungswaffen ernsthaft verhindern. Und:  Sie könnten selbst zum Ziel von militärischen und sogar  nuklearen Angriffen werden.

1972 wurde das Industriegebiet von Triest zum Schauplatz eines erschreckenden Angriffs auf die TAL-Tanks der Dolina-Ölpipeline. Die Pipeline verläuft quer durch die Alpen. Sie ist die größte im Mittelmeerraum, und versorgt Österreich, Tschechien und Deutschland. Die Risikobewertung für diese Anlage unterliegt dem Militärgeheimnis. Das zwingt die Behörden, wichtige Informationen über mögliche Gefahren zurückzuhalten. Im Falle eines nuklearen oder anderen Unfalls könnten Notfallpläne also gar nicht so umgesetzt werden, wie das Gesetz und die europäischen Richtlinien es vorschreiben.

Eine Fallstudie zur Denuklearisierung des Golfes von Triest, wie sie den Vereinten Nationen schon vorliegt, wäre auch für andere Orte wie die US-Militärbasis Aviano nützlich. Dort ist das Vorhandensein von Atomwaffen nie offiziell bestätigt worden und die Bürger sind über die äußerst schwerwiegenden Gefahren nicht aufgeklärt. Auch jetzt nicht, da die bevorstehende Aufrüstung bestehender Kernsprengköpfe auf die präzisionsgelenkte Type „B.61-12“ das Risiko für die Bevölkerung im gesamten Alpen-Adria-Raum und darüber hinaus exponentiell erhöht. Auch Krško in Slowenien könnte betroffen sein. In direkter Nachbarschaft des Kernkraftwerks dort soll ein weiteres AKW entstehen. Miteigentümer ist Kroatien. Das Atomkraftwerk ist erdbeben- und unfallgefährdet.

Triest ist zum einen eine entmilitarisierte, neutrale Zone  und zum anderen ein von der Nato geschütztes Gebiet. Dieser Widerspruch muss dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Sicherheitsrat vorgelegt und geklärt werden.

Aus Triest sind Militärschiffe ausgelaufen zu Kriegshandlungen, die nach den UN-Statuten völkerrechtswidrig waren, wie zum Beispiel die Raketenangriffe auf Syrien. Auch wurden militärische Güter von Triest nach Saudi-Arabien verschifft, zur Unterstützung der saudischen Invasion im Jemen.

In einem Bericht an den Sicherheitsrat wird der Einsatz von in Italien hergestellten Bomben von RWM Rheinmetall auf zivile Gebiete im Jemen nachgewiesen. Der Bericht zeigt auf, dass es sich dabei um Kriegsverbrechen handeln könnte. Im Jahr 2016 reichte eine Gruppe von Bürgern bei der Staatsanwaltschaft in Triest eine Beschwerde ein, in der sie auf die sensiblen Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate hinwies. Diese verstoßen gegen die italienische Verfassung und das Gesetz 185/90, das die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Länder verbietet, die sich im Krieg befinden. Die Beschwerde führte als erstes zu einer neuen Hafenverordnung, die den Umgang mit Sprengstoffen stark einschränkt.

Im Jahre 2018, 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Europa haben Menschen und Vereine aus den umkämpften und einander feindlichen Nachbarregionen in Klagenfurt das Manifest für eine Alpen-Adria-Region des Friedens ins Leben gerufen. Sie haben uns eingeladen, als Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt an einer Zukunft mitzuarbeiten, in der wir regional und global agieren.

Um die Jahrhundertwende ließ uns die allmähliche Konsolidierung der Europäischen Union an eine Beilegung ethnisch-nationalistischer und kriegerischer Spannungen denken, Doch die Globalisierung scheint diese Vorstellung zu zerstören. Der weltweite Marsch für Frieden und Gewaltlosigkeit  will nun in lokalen und internationale Kampagnen Menschen miteinander verbinden, um Vertrauen und Freundschaft wieder aufzubauen.

Im Februar 2020 wurde  im Zuge des weltweiten Marsches für den Frieden in Spanien ein Projekt geboren mit dem Titel: Mediterraneo Mar de Paz. Es fand Anhänger auch in der Alpen-Adria-Region (Kärnten, Slowenien und Westkroatien, Friaul-Julisch Venetien). So konnte trotz des ersten Covid-Lockdowns der Friedensmarsch in Pirano, an der Südküste Sloweniens Station machen.

Im Golf von Trieste wollen wir nun eine Botschaft des Friedens aufbauen und dazu die Resolution 16 des Sicherheitsrats anwenden. Wir möchten damit die internationale Initiative für eine nuklearfreie Zone im Mittelmeerraum und im Nahen Osten wiederbeleben und an jene atomwaffenfreien Zonen anschließen die in Südamerika, im  Südpazifik, in Südostasien, in Afrika, in der Antarktis, im Weltraum und auf dem Meeresboden bereits existieren.

Wir möchten also die Barcelona-Erklärung für ein Mittelmeer des Friedens umsetzen, dem Weg folgend, der 1945 begann. Das Kriegsleid hatte eine neutrale „Linie“, einen Eisernen Vorhang, gezogen, der von Finnland bis nach Jugoslawien reichte. Drei Zentren waren kennzeichnend: Berlin, Wien und Triest mit ihren Neutralitätsstatuten. Mit unseren Aktivitäten möchten wir im Mittelmeerraum auf das Neutralitätsgebot der Nachkriegszeit zurückkommen und es im heutigen Europa umsetzen. – Könnte Hamburg 2024/2025 eine Station auf dem dritten weltweiten Marsch für Frieden und Gewaltlosigkeit werden?

von Alessandro Capuzzo / Übersetzung:  Sibylle Hoffmann