Dokumentation: Rede von Monika beim Aktionstag am 05.12.20

Rede von Monika von der Volksinitiative gegen Rüstungsexporte am 5.12. auf dem Rathausmarkt.

Wir starten die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte!

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Liebe Hamburger und Hamburgerinnen, liebe Friedensfreund*innen,

ich stehe heute hier als Mitglied des Arbeitskreises Frieden in ver.di, und darüber bin ich/sind wir als Arbeitskreis Teil der in Kürze startenden Volksinitiative gegen Rüstungsexporte, für einen zivilen Hafen in Hamburg.

Meine Vorredner*innen haben all das benannt, was uns antreibt. Die Ohnmacht ist meist groß, wenn man sich diesem Thema erstmals nähert. Wir, wir haben ein Rezept dagegen. Handeln. Etwas Tun. Miteinander. Solidarisch, und zutiefst humanistisch. Und das, das wollen wir vor der Haustür machen und damit weit über den Tellerrand hinauswirken.

John LaForge (Nukewatch/USA) und Marion Küpker (Versöhnungsbund & DFG-VK) am 22. Januar 2021.

Wir?! Das ist ein Bündnis. Wir sind Friedensorganisationen und friedenspolitisch engagierte Einzelpersonen, wir kommen aus dem hochschulpolitischen Raum, aus Stadtteil-Friedensinitiativen, aus den Gewerkschaften, der Kirche oder linkspolitischen Parteien, wir vertreten migrantische oder klima- und umweltbewegte Gruppen, wir sind auch Künstler*innen und Menschen aus sozialen Zusammenhängen. Wir haben eine schon sehr große Anzahl von unterstützenden Hamburger friedensbewegten Organisationen und Personen im Boot und – das ist klar – wir können gerne immer noch mehr werden. Wir freuen uns über jede Gruppe, über jeden Menschen, der diese Volksinitiative mit zu einem Erfolg machen will und im eigenen Rahmen dazu beiträgt. Hier finden sich vor Ort ansprechbare Initiativler*innen mit Broschüre und Postkarte. Meldet Euch bei ihnen oder sprecht mich im Anschluss an.

Ach ja, Was? Um was soll es gehen, was haben wir vor der Haustür und vielleicht im Bücherregal? Neben ca. 90 Rüstungsunternehmen in und rundherum um Hamburg gibt es unseren Hafen – eine unserer Lebensadern, unser Tor zur Welt. Der Hamburger Hafen ist mit Abstand der stärkste deutsche Seegüterhafen und die Nummer 3 in Europa. Sein Containerumschlag umfasste 2019 5,6 Mio Container, das sind 9,3 Millionen Container im 20 Fuß-Standardmaß TEU. Gerade kämpfen die Hafen-Kolleg*innen aus der Transportwirtschaft, der Logistik bei der HHLA, bei Eurokai, hauptsächlich geht es hier um GHB, um ihre Arbeitsplätze. Die Margen sind coronabedingt eingebrochen; Automatisierung nagt an der Personaldecke. Sie werden am Samstag den 19.12. um 11 Uhr auf dem St. Annenplatz streiken und demonstrieren, es wäre schön, sie bekämen durch uns Unterstützung und unsere Solidarität zu spüren.

Doch durch diesen – unseren – Hafen werden nicht nur zivile Güter transportiert und umgeschlagen. Von Hamburg geht auch der Tod in alle Welt. Waffen, Munition und Kriegsgerät. Allein im 2. und 3. Quartal dieses Jahres wurden 197 Container nur mit Waffen und Munition, die unter gefahrgutrechtliche Vorschriften fallen, umgeschlagen; das ist nur ein Bruchteil der Rüstungsgüter – das sind 33 Container im Monat oder einer am Tag. Wohlgemerkt, hier aufgezählt nur die meistenteils Kleinteiligen – also Patronen, Bomben, Munition, Gefechtsköpfe, Granaten, Minen, Torpedos etc. Doch auch sie mit garantiert tödlicher Wirkung.

Um ein besseres Gefühl für die Größenordnung zu bekommen, habe ich mir die Lieferungen im 2. Quartal nach Kolumbien und Oman – JA! Auch dorthin wird aus Hamburg geliefert – etwas genauer angesehen. Da wurden insgesamt 14 Container mit Patronen für Handfeuerwaffen in Pappkisten umgeschlagen, überschlägig sind demnach jeweils ca. 17 Mio Patronen an Kolumbien und in etwa die gleiche Anzahl an den Oman gegangen. Und eins ist klar: Jede Kugel soll ein Ziel finden und viele finden es.

Die aktuelle Brot-für-die-Welt/Terres-des-Hommes- Studie zu „Kleinwaffen in kleinen Händen“ zeigt eindrucksvoll auf, wo deutsche Waffen und deutsche Munition Tod und Elend bringen. Kolumbien und Mexiko, Heckler und Koch und Sig Sauer sind in dem Zusammenhang zu nennen. Mexiko findet sich im Übrigen auch auf der Liste der Löschhäfen, die aus Hamburg mit Waffen und Munition bedient werden. Aufgrund einer kleinen Anfrage von Zaklin Nasciz an den Deutschen Bundestag wissen wir zudem jetzt auch etwas genauer, was noch an weiterem Kriegsgerät den Hamburger Hafen passiert.

Panzerkampfwagen, mit und ohne Waffen, Kanonen, Haubitzen, Mörser, Revolver und Pistolen und ja, auch Kriegsschiffe, ganz oder in Teilen. Das Rüstungsexportgeschäft wächst, klar, dass sich das auch in unserem Hafenumschlag wiederfindet.Wir wollen gemeinsam mit euch Hamburger*innen erreichen, dass der Senat das Geschäft mit dem Tod von seiner Agenda nimmt.

Wolfgang Borchert hat es für uns eindrucksvoll aufgeschrieben: Sag NEIN! Esther Bejarano, die uns unterstützt, wird nicht müde, mahnt uns alle: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Der Widerstand der Hamburger Hafenarbeiter, gegen Faschismus und Krieg, es lohnt die Geschichte anzuschauen, es hat ihn gegeben und nicht zu knapp. Von hieraus nicht! Sagen wir.

Und jetzt zu dem Bücherregal – vielleicht steht sie bei dem einen oder der anderen darin – die Hamburger Verfassung. Nach zwei Weltkriegen und dem Faschismus gab Hamburg sich eine progressive Verfassung, um Frieden und Völkerverständigung praktisch zur Geltung zu bringen.Wir wollen, dass der Senat unsere Verfassung mit Leben und nicht mit Tod füllt und der verpflichtenden Präambel nachkommt. Darin heißt es: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“

Wir wollen einen zivilen Hafen! Was wäre das für ein Zeichen für all die, die durch Krieg zur Flucht gezwungen wurden, die Freunde und Familienmitglieder und ihr Zuhause verloren haben. Das wollen wir.

Marion Struck-Garbe vom Pazifik-Netzwerk überreicht dem Honorarkonsul von Palau, Herrn Dr. Köpke, Blumen.

Und jetzt nur noch kurz das Wie. Volksinitiativen – davon gibt es einige in der Stadt. Ein dreistufiges Verfahren: Volksinitiative – Volksbegehren – Volksentscheid. Wir starten im Frühjahr nächsten Jahres mit der ersten Stufe. Dazu müssen wir ab Anmeldung in sechs Monaten 10.000 Unterschriften von wahlberechtigten Hamburger*innen (ab 16 Jahre) zusammenbekommen. Das ist im Normalfall nicht schwer, doch unter Corona nicht ganz so einfach. Dem Senat werden diese Unterschriften übergeben, damit er der Bürgerschaft mitteilen kann, dass die Volksinitiative zustande gekommen ist – die könnte dann schon zu diesem Zeitpunkt zu dem Schluss kommen, dass das ein gutes Anliegen und unserem Ansinnen zu entsprechen ist. Meines Wissens noch nie vorgekommen.

Okay, danach geht es in der zweiten Stufe, dem Volksbegehren, sehr sportlich zu. Fünf Prozent bzw. ein Zwanzigstel der Hamburger Wahlberechtigten, also ca. 65.000 Unterschriften, und das in drei Wochen. Hier brauchen wir alle helfenden Hände. Ist das geschafft, kommt der Volksentscheid – der soll am besten zusammengelegt sein mit einer Wahl. Wir haben es so geplant, dass das gelingen kann. Doch bis dahin fließt noch viel Wasser die Elbe hinunter.

So. Zum Schluss. Es gibt kurzfristige Gelegenheiten, uns noch näher kennenzulernen. Heute! 17 Uhr, Schulterblatt, Ecke Susannenstraße, zwei Kurzfilme und Lichtprojektionen. Morgen auf dem bundesweiten Friedensratschlag – der dieses Jahr digital stattfindet. Oder zu unserem nächsten Neuentreffen am 8.12. um 19 Uhr im Curiohaus. Nehmt Euch von den Mit-Mach-Postkarten und meldet Euch für den Newsletter oder eben zum Mitmachen bei uns an.

Vielen Dank an Euch. Und an das Hamburger Forum für die Organisation dieser Veranstaltung.